In einer aktuellen Entscheidung befasste sich der 6. Senat des BGH mit der Frage der Ersatzfähigkeit vorgerichtlicher Anwaltskosten bei einem Verkehrsunfall.

Der Fall hatte den Hintergrund, dass die Klägerin – ein international tätiges Autovermietungsunternehmen – mit der Beklagten über die Höhe des Schadensersatzes aus einem Verkehrsunfall stritt. Die Klägerin hatte diesen fiktiv auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens abgerechnet, also netto ohne Umsatzsteuer. Dabei ging es unter anderem auch um die vorgerichtlichen Anwaltskosten. Die Beklagte verweigerte die Zahlung in voller Höhe mit dem Argument, die Klägerin bekomme als großes Autovermieterin bei Reparaturen Großkundenrabatte, was sie sich bei der fiktiven Abrechnung anrechnen lassen müsse.

Auch sei die Klägerin hinreichend geschäftlich gewandt, so dass sie ihre Ansprüche selbst hätte geltend machen können. Die vorgerichtlichen Anwaltskosten seien daher nicht erforderlich gewesen. Deshalb verweigerte sie die Zahlung dieser Anwaltskosten.

Erforderlichkeit der Anwaltskosten

Der BGH entschied, dass sich die Geschäftsgewandtheit des Geschädigten zwar auf die Höhe der erforderlichen Kosten auswirkt. So hat ein solcher Geschädigter zumindest bei einfachen und zweifelsfreien Fällen sein Wissen bei der erstmaligen Geltendmachung des Schadens einzusetzen. Etwas anderes gilt jedoch, wenn es sich um keinen solchen einfach gelagerten Fall handelt. Das war hier zu bejahen, so dass es keine Verpflichtung zur eigenen Mühewaltung bei der Schadensabwicklung gab. Der demnach zustehende Schadensersatz umfasst deshalb auch den Ersatz der durch das Schadensereignis entstandenen Rechtsverfolgungskosten, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren, also die vorgerichtlichen Anwaltskosten. Die Zahlung dieser Anwaltskosten durfte also nicht verweigert werden.

Verkehrsunfall mit zwei Unfallbeteiligten kein einfach gelagerter Fall

Ein einfach gelagerter Fall liegt dann vor, wenn außer Frage steht bzw. keine vernünftigen Zweifel daran bestehen, dass der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer ohne weiteres der Ersatzpflicht nachkommen und Schadensersatz zahlen werde. In einem solchen Fall ist es nicht erforderlich, schon für die erstmalige Geltendmachung des Schadens gegenüber dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherung einen Rechtsanwalt hinzuziehen und dessen Anwaltskosten ersetzt zu verlangen. Etwas anderes gilt in solchen Fällen nur bei mangelnder geschäftlicher Gewandtheit oder bei Krankheit oder Abwesenheit.

Ein einfach gelagerter Fall liegt hingegen nicht vor – und so war es auch im hiesigen Fall – wenn nicht zweifelsfrei ist, dass und inwieweit die KFZ Haftpflichtversicherung des Unfallgegners den Schaden regulieren wird. Maßgeblich ist hierbei, wie sich die voraussichtliche Schadensregulierung, also die Abwicklung des Schadensfalls, aus der Sicht des Geschädigten darstellt. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts.

Eine schadensrechtliche Abwicklung eines Verkehrsunfalls, an dem zwei Fahrzeuge beteiligt waren, ist auch mit alleinigem Blick auf die Schadenshöhe schon regelmäßig kein einfach gelagerter Fall.

Zugrundeliegender Gegenstandswert der Anwaltskosten

Die vorgerichtlichen Anwaltskosten können also aus dem Gesamtschadensbetrag geltend gemacht werden, der neben den fiktiven Reparaturkosten eine Wertminderung (sog. merkantiler Minderwert), Sachverständigengutachterkosten und eine Auslagenpauschale erfasst. Dem Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten ist also grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht, wobei auf die letztlich festgestellte Schadenshöhe abzustellen ist. Die Zahlung der vorgerichtlichen Anwaltskoten durfte also nicht verweigert werden.